
Vergessen in der Wüste
Seit Sommer 2013 leben 300 Flüchtlinge ohne Versorgung in den abgewrackten Resten des UN-Flüchtlingscamps in der Wüste Tunesiens. Ihre Proteste und die europäischer Unterstützer nützten wenig – einziger Ausweg bleibt eine Flucht übers Mittelmeer.

Ahmed Farah, ein psychisch kranker Flüchtling aus Somalia, sitzt am Eingang seines Zeltes. Medizinische oder gar psychologische Betreuung gibt es in Choucha seit der Schließung des Camps letztes Jahr nicht mehr.

Die letzten Bäume stehen genau im Eingangsbereich des Camps, dahinter beginnt Choucha – und die Sahara. Das Camp entstand 2011, als während des Bürgerkriegs in Libyen viele subsaharische Afrikaner vor rassistischen Milizen fliehen mussten.

Murat ist in Choucha geboren. Seine Eltern kamen aus dem Sudan nach Libyen, der Bürgerkrieg 2011 zwang sie erneut zur Flucht. Wie viele andere sind sie als „besonders schutzbedürtige Flüchtlinge“ von der UN anerkannt, fanden jedoch keine Plätze mehr im Neuansiedlungs-Programm (Resettlement) für Choucha.

Einer der leeren Wassertanks des Camps. Seit dem Abzug der Hilfsorganisationen am 30. Juni 2013 gibt es in Choucha keine Versorgung mit Lebensmitteln oder Wasser mehr. Die Zurückgebliebenen sollen sich in Tunesien integrieren. Dort gibt es jedoch kein funktionierendes Asylsystem.

Frauen und Kinder des Choucha-Camps betteln an der nahen Verbindungsstraße nach Libyen um Wasser und Nahrungsmittel. Die Straße ist die letzte Lebensader für die verbliebenen Flüchtlinge.

Mohammed, der Vater von Murat (Bild 3), aus dem Sudan bringt Wasser von der Straße zum Zelt seiner Familie. In Tunesien sieht sie keine Perspektive, doch die „lokale Integration“ wäre die einzige Option, bei der sie Unterstützung durch die UN bekäme.

Fatuma alias “Mama Hawa” aus Somalia ist eine der Camp-Ältesten. Ihr Spitzname, der ihr von den anderen Choucha-Bewohnern gegeben wurde, bedeutet so viel wie “Big Mama”.

Seit März 2013 halten Flüchtlinge aus Choucha eine Mahnwache vor dem Büro des UN-Flüchtlingskommissariats in Tunis aufrecht, um gegen die Schließung des Camps und für ein neues Resettlement-Programm zu protestieren.

Eine junge Frau zeigt bei der Mahnwache in Tunis eine unbehandelte Zyste an ihrem Hals. Die medizinische Versorgung in Choucha wurde eingestellt und ein öffentliches Hospital kann sie sich nicht leisten.

Refugee-Aktivisten aus Choucha malen im November, am Vorabend einer Demonstration anlässlich der deutschen Innenministerkonferenz, gemeinsam Transparente. NGOs und Aktivisten in Deutschland fordern schon lange eine Hilfsaktion durch die Bundesrepublik.

Ein Tourist und eine deutschsprachige Aktivistin aus Tunis helfen den Flüchtlingen mit der Übersetzung der Transparente. Von den 3.170 bis zum Jahr 2012 umgesiedelten Flüchtlingen aus Choucha hat Deutschland 195 aufgenommen, die meisten Plätze stellten die USA, Norwegen und Australien.

Fatuma und andere Geflüchtete protestieren vor der deutschen Botschaft in Tunis. „Helft uns, die Welt hat uns in der Wüste vergessen“ steht in Deutsch, Englisch und Arabisch auf den Transparenten.

Ein Bewohner steht im „Vorgarten“ seines zusammengeflickten Zeltes.

Ein toter Hund liegt in einer Müllgrube zwischen Camp und Straße. Noch aussichtsloser als für die Anerkannten ist die Lage für diejenigen, die im Schnellverfahren der UN abgelehnt wurden: Ihnen steht nicht einmal die Möglichkeit der zweifelhaften „lokalen Integration“ zu.

Ein verlassener Schubkarren zum Transport von erbetteltem Wasser und Nahrungsmitteln vor einem Zelt in Choucha. Trotz aller Proteste hat sich in Choucha nichts verändert: Auch ein Jahr nach der Schließung des Camps hat sich kein europäischer Staat zur Aufnahme weiterer Choucha-Flüchtlinge bereit erklärt. Im Mai 2014 haben die meisten von ihnen ihre Umsiedlung in die eigenen Hände genommen – mit dem Boot Richtung Lampedusa.
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Chris Grodotzki
FotografChris ist Fotograf und Aktivist, hat sein Büro in Berlin, ist dort aber kaum anzutreffen, da meist unterwegs.
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2004 kam Khalid nach Deutschland, illegal. Den Weg dorthin hat er bewältigt, doch sein Ziel noch nicht erreicht: Noch immer läuft das Asylverfahren.
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Seit Sommer 2013 leben 300 Flüchtlinge ohne Versorgung in den abgewrackten Resten des UN-Flüchtlingscamps in der Wüste Tunesiens. Ihr einziger Ausweg bleibt eine Flucht übers Mittelmeer.